Raus aus der Gerüchteküche

– Fakten statt Fallen!

stolperfalle-stempel-fuchsWenn es um das Arbeitsrecht geht, meint jeder Bescheid zu wissen. Täglich hören wir von unseren Mandanten Sätze wie „Im Internet steht…“ oder „In den Foren habe ich gelesen, dass…“ Was dort steht, erweist sich fast immer als falsch. Arbeitsrecht ist kompliziert, vielfältig, und es ändert sich ständig. Vertrauen Sie deshalb nicht dem Internet oder darauf, was Kollegen oder Nachbarn Ihnen erzählen. Verlassen Sie sich stattdessen auf uns und vermeiden Sie so unnötige Kosten.

Als Fachanwältin und Anwalt für Arbeitsrecht sind wir auf dieses Gebiet spezialisiert. Mit insgesamt 65 Jahren Erfahrung in der Hinterhand unterstützt unsere Kanzlei mit Sitz in Moers Arbeitnehmer und Arbeitgeber in allen arbeitsrechtlichen Belangen. Von A wie Arbeitsvertrag und Abfindung, über K wie Kündigung, bis hin zu Z wie Zeugnis. Wir beraten Sie ausführlich und vertreten Ihre Interessen vor Gericht.

Übrigens: Die gesamte Infobroschüre “Vorsicht, Stolperfallen!” erhalten Sie kostenlos in gebundener Form bei Ihrer Kanzlei für Arbeitsrecht – Kelp und Blättermann in Moers.

„Wenn ich gekündigt werde, gilt immer das Kündigungsschutzgesetz.“

Auch das stimmt so nicht. Denn das Kündigungsschutzgesetz greift nicht ab dem ersten Tag des bestehenden Arbeitsverhältnisses, sondern erst dann, wenn dieses zum Zeitpunkt der Kündigung bereits sechs Monate ununterbrochen in ein und demselben Unternehmen bestanden hat. Außerdem müssen dort in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigt sein. In Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern gelten demgegenüber oft Sonderregelungen, die – ebenso wie die Anrechnung von Teilzeitbeschäftigten auf die Mitarbeiterzahl – einer sorgfältigen Prüfung bedürfen.

Die Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses ergibt sich nicht aus dem Datum, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, sondern gezählt wird ab dem tatsächlichen (oder zumindest ursprünglich geplanten, aber durch Krankheit o. ä. verhinderten) Beschäftigungsbeginn.

Das Kündigungsschutzgesetz gilt ohne Altersbeschränkung für alle Arten einer Arbeitnehmertätigkeit und damit auch für Teilzeitmitarbeiter. Wird es angewendet, so ist der Arbeitnehmer in besonderem Maße geschützt, und der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis nicht mehr ohne Kündigungsgrund beenden. Kommt es dennoch dazu, so kann und sollte der Gekündigte mit dem Arbeitgeber über die Rücknahme der Kündigung oder eine Abfindung (vgl. Kapitel 3) verhandeln.

„Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschreiben den Grund angeben, damit die Kündigung wirksam ist.“

Das ist leider nur bedingt richtig. Lediglich Kündigungen von Schwangeren oder Auszubildenden sind tatsächlich nur dann wirksam, wenn im Kündigungsschreiben der Kündigungsgrund angegeben wurde. In allen anderen Fällen – und somit bei der Mehrzahl aller Kündigungen – ist dies jedoch nicht erforderlich. Insofern liegt auch hier ein klassischer Irrtum vor.

Im Falle einer außerordentlichen Kündigung ohne Angabe von Gründen kann der gekündigte Mitarbeiter verlangen, dass ihm der Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitgeteilt wird. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung – allerdings kann der Gekündigte dann Anspruch auf Schadensersatz erheben. Die Beratung durch einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist hierbei eine große Hilfe.

Fakt ist: Wehrt sich der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung, so muss der Arbeitgeber dann auch einen Grund für die Kündigung nennen und diesen beweisen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Arbeitnehmer tatsächlich unter das Kündigungsschutzgesetz fällt (vgl. Kapitel 1). Zudem muss der Arbeitnehmer binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung das Arbeitsgericht einschalten, indem er dort formal eine Kündigungsschutzklage erhebt.

„Nach einer Kündigung habe ich immer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.“

Nein, denn zunächst einmal ist es in aller Regel so, dass dem gekündigten Arbeitnehmer gesetzlich keine Abfindung zusteht. In der Praxis gibt es aber immer wieder Ausnahmen von dieser Regel.

Etwa wenn sich beide Seiten in einem Kündigungsschutzprozess oder im Rahmen der Korrespondenz zwischen dem Anwalt des gekündigten Arbeitnehmers und dem Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung einigen. Da der Kündigungsschutz die Rechte des Schwächeren im Arbeitsverhältnis (also die des Arbeitnehmers) unterstützt, ist es für Arbeitgeber zudem meist schwierig, die Kündigung des Mitarbeiters vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Aus diesem Grund „erleichtern“ diese dem Mitarbeiter die Trennung oftmals durch eine Abfindung, deren Höhe von beiden Parteien ausgehandelt werden muss. Wurde eine Kündigungsschutzklage erhoben, so schlägt der Arbeitsrichter in der Güteverhandlung im Regelfall eine Abfindung vor.

Wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Sozialplan ausgehandelt wurde, können Mitarbeiter sogar einen gesetzlichen Anspruch auf eine Kündigungsabfindung haben. Und in seltenen Fällen kann das Arbeitsgericht auf Antrag das Arbeitsverhältnis auflösen und dem Mitarbeiter eine Abfindung zusprechen – meist nach der Formel: halbes Bruttomonatsgehalt multipliziert mit der Anzahl der Beschäftigungsjahre.

„Arbeitsverhältnisse können mündlich, per Telefax oder per Mail gekündigt werden.“

Ein Arbeitsverhältnis wird in aller Regel durch Kündigung beendet, und diese kann sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber ausgesprochen werden. Allerdings
ist dabei immer auf die richtige bzw. rechtskräftige Form zu achten! So muss jede Kündigung – unabhängig davon, von welcher der beiden Seiten sie letztlich kommt – schriftlich erfolgen. Sprich: in Papierform und versehen mit der Original-Unterschrift des Kündigungsberechtigten.

Entgegen der landläufigen Meinung ist eine Kündigung per Fax, Mail, PDF, Telegramm oder ähnliches somit ebenso unwirksam wie eine mündliche Kündigung. Denn in all diesen Fällen liegt keine eigenhändige Unterschrift des jeweils Kündigenden im Original vor. Hinzu kommt: Die betreffende Formvorschrift des § 623 Bürgerliches Gesetzbuch kann nicht durch individuelle Vereinbarungen, den Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung umgangen und für unanwendbar erklärt werden.

Ferner müssen auch Aufhebungsverträge schriftlich abgeschlossen werden. Für den Arbeitnehmer führt dies dann jedoch oft zu erheblichen Rechtsnachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld. Daher sollte er sich vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages fachlich beraten lassen, um zu prüfen, ob und inwiefern ein solcher für ihn in wirtschaftlicher Hinsicht überhaupt sinnvoll ist.

„Wenn der Arbeitgeber mich dreimal abgemahnt hat, kann er mich kündigen.“

Dies ist eine weit verbreitete Annahme, für die es sicherlich auch vermeintliche Praxisbeispiele gibt. Allerdings existiert eine solche Regel nicht. Der Grund: Da jeder Fall anders ist und einzeln beurteilt werden muss, folgt die Anwendung des Arbeitsrechts keinen starren Regeln. Arbeitsgerichte treffen also immer Einzelfallentscheidungen.

Unstrittig dabei ist: Abmahnungen dienen dazu, den Mitarbeiter für ein konkretes Fehlverhalten zu rügen und ihn gleichzeitig aufzufordern, sich in Zukunft vertragsgemäß zu verhalten. Zudem werden ihm im Wiederholungsfall ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht. Erfüllt eine Abmahnung diese formalen Voraussetzungen nicht, so kann auf ihrer Grundlage später keine wirksame Kündigung ausgesprochen werden.

Das bedeutet, dass einem Mitarbeiter – je nach Fall – bereits nach der ersten Abmahnung gekündigt werden kann, sofern er sich danach eine weitere gleichartige Vertragsverletzung zu Schulden kommen lässt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann jedoch beispielsweise ein Diebstahl bei entsprechender Geringfügigkeit als Bagatelldelikt (vgl. Kapitel 8) bewertet werden, sofern
der Mitarbeiter längere Zeit ohne Beanstandungen im Unternehmen tätig war. Hier ist also eine sorgfältige Prüfung empfehlenswert.

„Die Zahlung einer Abfindung bei Kündigung wird auf das Arbeitslosengeld angerechnet.“

Auch dies ist gesetzlich nicht vorgesehen. Jedoch besteht in bestimmten Fällen die Möglichkeit, dass eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung oder Aufhebungsvertrag) erhaltene Abfindung vorübergehend den Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld ruhen lässt. Dieser wird dann erst ab einem späteren Zeitpunkt erfüllt.

Ein solcher Fall tritt ein, wenn das Arbeitsverhältnis zwar tatsächlich beendet, die ordentliche Kündigungsfrist aber nicht eingehalten wurde. Dann ruht der Anspruch auf Zahlung des Arbeitslosengeldes zunächst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitslosen, wird anschließend aber im vollen Umfang und ohne zeitliche oder sonstige Verkürzung wirksam.

Während der so genannten Ruhenszeit besteht kein Kranken- und kein Pflegeversicherungsschutz, und es werden auch keine entsprechenden Beiträge abgeführt.

Streng zu unterscheiden vom zeitlich befristeten Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist die Verhängung einer Sperrzeit, die neben den oben geschilderten Erläuterungen zusätzlich zu einer Verkürzung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt. Wurde hingegen eine Abfindung aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs ausbezahlt, so wirkt sich dies nicht nachteilig auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld aus.

„Im Bewerbungsgespräch darf unter keinen Umständen gelogen werden.“

Selbstverständlich liegt es im Interesse eines Arbeitgebers, freie Stellen mit möglichst gut dafür geeigneten Bewerbern zu besetzen. Allerdings ist sein Bestreben, in einem Bewerbungsgespräch auch sehr persönliche Informationen über den Bewerber in Erfahrung zu bringen, durch dessen Persönlichkeitsrecht begrenzt. Demnach können Fragen unzulässig sein, deren wahrheitswidrige Beantwortung negative (rechtliche) Konsequenzen für den Bewerber haben könnten.

Zulässig sind dagegen Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse besitzt. Dazu müssen sie sich auf die konkrete Tätigkeit und den zu besetzenden Arbeitsplatz beziehen, dürfen den Bewerber jedoch weder in seiner ganzen Persönlichkeit erfassen noch in seinen Intimbereich eindringen. Aus diesem Grund ist es Arbeitnehmerinnen erlaubt, unzulässige Fragen nach einer aktuellen Schwangerschaft mit einer Lüge zu beantworten, da sie sonst befürchten müssten, nicht eingestellt zu werden.

Auch Fragen bezüglich Vorstrafen und Ermittlungsverfahren sind unzulässig und dürfen falsch beantwortet werden. Handelt es sich jedoch um eine Bewerbung für die Stelle eines Kraftfahrers, so muss die Frage nach einschlägigen Straf- oder Ermittlungsverfahren wahrheitsgemäß beantwortet werden. Andernfalls kann das Arbeitsverhältnis später angefochten oder gekündigt werden.

„Ein kleiner Diebstahl kann nicht automatisch zur sofortigen Kündigung führen.“

Dies ist ebenfalls nicht zutreffend, da ein Arbeitgeber heute auch wegen eines Bagatelldelikts sofort kündigen darf. Indes, ein regelrechter „Automatismus“ dafür ist im Arbeitsrecht nicht vorgesehen. Daher kann die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten (hier ein „kleiner Diebstahl“) den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt oder nicht, nicht allgemeingültig beantwortet werden. Es zeigt sich also erneut, dass es im Arbeitsrecht immer auf den Einzelfall und seine Besonderheiten ankommt.

Klar ist jedoch: Eine Kündigung ist dann berechtigt, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Und das kann auch in diesem Fall so sein.

Aber was ist überhaupt ein „kleiner Diebstahl“? Dazu müssen viele Fragen berücksichtigt werden: Wer wurde bestohlen? Gibt es eine Wertgrenze? Was für eine Persönlichkeit hat der Dieb? Besteht Wiederholungsgefahr? Gibt es Abmahnungen? Erst aus dem sich daraus ergebenden Gesamtbild kann die Antwort auf die Ausgangsfrage abgeleitet werden.

„Schnellschüsse“ im Arbeitsrecht können also durchaus mal danebengehen, und deshalb lohnt es sich immer, in diesen und anderen Fällen eine qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen. Denn eine unwirksame Kündigung (vgl. Kapitel 3) kann für den Arbeitgeber teuer werden und für den Arbeitnehmer zur Folge haben, dass das Arbeitsverhältnis fortzusetzen oder eine Abfindung an ihn zu zahlen ist.

Ein Stück Rechtsgeschichte: der Bienenstich-Fall

Was hat ein Stück Kuchen mit unserer Kanzlei für Arbeitsrecht zu tun? Die Antwort lautet: eine ganze Menge. Damit geben wir auch gerne ein bisschen an, denn Rechtsanwalt Erwin Blättermann hat mit dem so genannten Bienenstich-Fall ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben. Rechtsanwalt Blättermann hat 1982 (damals noch ohne seine spätere Partnerin Rechtsanwältin Kelp) für einen Mandanten einen problematischen Fall übernommen.

Dabei ging es um eine Buffetkraft in einem Warenhaus, die ein Stück Bienenstich naschte, ohne es zu bezahlen. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber – Rechtsanwalt Blättermanns Mandant – ihr fristlos. Die Frau klagte dagegen bis zum Bundesarbeitsgericht. Zur großen Überraschung aller Beteiligten entschieden die Richter jedoch, dass ein Diebstahl gegen den eigenen Arbeitgeber, und sei der Schaden auch noch so klein, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Rechtsanwalt Blättermann hatte diesen Fall also gewonnen.

Seitdem beruhen auch heute noch viele Entscheidungen der Arbeitsgerichte zu den so genannten Bagatelldelikten auf diesem Fall. Zwar werden diese Delikte jetzt meist anders entschieden, aber das Urteil zeigt, dass sich Kreativität und Durchhaltevermögen eines Anwalts bezahlt machen. Um die Interessen unserer Mandanten auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite zu vertreten, setzen wir weiterhin auf Ausdauer, Überzeugungskraft und den Standpunkt, dass eine gute Begründung die Meinung des Gerichts ändern kann. Nur so und mit dem nötigen Biss, können wir auch wenig aussichtsreiche Rechtsstreitigkeiten zu einem guten Ende bringen.

P.S. Übrigens, seit 1984 beruhen viele Entscheidungen der Arbeitsgerichte zu sogenannten Bagatelldelikten auf dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum „Bienenstich-Fall“, den Rechtsanwalt Erwin Blättermann betreut hat. Seitdem wird dieser Fall in den Medien und der juristischen Literatur immer wieder zitiert und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.